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Weihnachtsgeschichte

Hat der Weihnachtsmann eine Familie?

Eine Geschichte für Weihnachtsmuffel und für die, die an den Zauber dieser Zeit glauben

Am Rande der kleinen Stadt stand ein winziges Häuschen. Der Schnee hatte das rote Dach und die drei Fichten im schmalen Vorgarten mit einer weißen Haube überzogen. Auch die Fenster des Hauses waren geschmückt. Hier baumelte ein großer Strohstern, da sah ein Nussknacker grimmig in die kalte Nacht hinaus. Im Haus selbst war es gemütlich warm. Es roch nach Zimt und gebrannten Mandeln. Im ersten Stock brannte in einem der Zimmer eine Nachttischlampe. In ihrem Schein lag ein kleines Mädchen in seinem Bettchen. Das rötliche Haar fiel ihr wirr in die Stirn und sie strich es energisch mit der Hand zurück, so als wollte sie nichts verpassen.

„Vati, sag mal, ist der Weihnachtsmann denn ganz alleine? Oder hat er auch jemanden, wie ich Dich und Mutti?“

Der Vater strich ihr über die Wange. „Nun“, antwortete er, „der Weihnachtsmann war lange allein, doch dann eines Tages geschah etwas ganz besonderes. Etwas, das nur zur Weihnachtszeit passieren kann, ein kleines Wunder. Willst du die Geschichte hören, Sylvie?“

„Oh ja! Ja, bitte!“ Sylvie klatschte begeistert in die Hände.

„Na gut, aber zuerst musst du dich wieder richtig hinlegen.“ Erst als Sylvie warm in die Kissen gekuschelt war, begann er zu erzählen.

„Es ist noch gar nicht so lange her, da wartete ein Mädchen auf den Weihnachtsmann. Sie war so alt wie du und sie sah auch ein bisschen so aus.“

„Wie heißt das Mädchen?“ fragte Sylvie.

„Es hieß Kati.“

„Dann heißt sie ja so wie meine Schwester!“

„Das stimmt. Kati freute sich sehr auf den Weihnachtsmann. Ihre Mutter hatte versprochen, dass er am Heiligabend höchstpersönlich vorbeikommen würde. Sie hatte einen ganz langen Wunschzettel geschrieben. Den ganzen Tag sprang sie herum und vergaß sogar, Pfefferkuchen zu essen. Kati mochte nämlich Pfefferkuchen und ganz besonders die, die ihre Mutter selbst gebacken hatte.“

„So wie ich! Aber sag mal, du redest immer nur von Kati und ihrer Mutter. Hat Kati denn keinen Vater?“ warf Sylvie ein.

„Kati und ihre Mutter lebten allein. Katis Vater war schon vor langer Zeit weggegangen. Sie kannte ihn gar nicht.“

„Och, ist das traurig. Hat sie denn wenigstens eine große Schwester so wie ich?“

„Nein, die hatte Kati nicht. Sie war wirklich ganz alleine mit ihrer Mutti.“

„Da bin ich aber froh, dass ich euch habe. Erzähl weiter!“

 „Kati wartete also gespannt auf den Weihnachtsmann. Endlich, endlich wurde es dunkel. Die Mutter zündete die Kerzen auf dem Tannenbaum an. Aus dem Radio kam Weihnachtsmusik. Es fehlte nur noch der Weihnachtsmann. Kati saß ungeduldig am Fenster. Er musste doch gleich klingeln! Ob er wohl auf dem Schlitten fuhr? Hatte er Rentiere davor gespannt? Sie drückte sich ihre Nase an der kalten Scheibe platt. Doch der Weihnachtsmann kam und kam nicht. Schließlich war es schon sehr, sehr spät. Sie war sehr traurig und hatte ein bisschen geweint. Ihre Mutter brachte sie ins Bett und las ihr eine Geschichte vor. Aber Kati hörte gar nicht zu, so enttäuscht war sie vom Weihnachtsmann.“

„Der Weihnachtsmann ist nicht gekommen? Wirklich nicht? Das ist ja schrecklich!“

„Ja und deshalb war auch die Mutter bedrückt. Dem Weihnachtsmann konnte etwas passiert sein. Vielleicht war er auf dem Schnee ausgerutscht und hatte sich ein Bein gebrochen? Sie musste einfach nach dem Rechten sehen. Deshalb zog sich die Mutter, als Kati dann schlief, einen Mantel an und bat noch schnell eine Nachbarin, auf Kati aufzupassen. Dann machte sie sich auf zum Haus des Weihnachtsmannes.“

„Katis Mutter weiß, wo der Weihnachtsmann wohnt?“ Sylvie riss erstaunt die Augen auf.

„Viele Mütter wissen das.“

„So? - Ob Mutti das auch weiß?“

„Bestimmt. Du kannst sie ja morgen fragen.“ Der Vater lächelte verschmitzt. „Die Mutter lief also durch den tiefen Schnee zum Haus des Weihnachtsmannes. Es war furchtbar kalt und niemand war mehr so spät abends unterwegs. Der Schnee knarrte bei jedem Schritt, doch sonst war es sehr still. Überall leuchteten Kerzen in den Fenstern. Sie sah Menschen neben dem warmen Ofen feiern und glücklich lachen. 

Endlich hatte sie das Haus des Weihnachtsmannes erreicht. Es stand ganz klein als letztes in einer Reihe von Häusern. Im schmalen Vorgarten glitzerte der Schnee auf den drei Fichten wie tausend Sterne, doch im Haus selbst brannte kein Licht. Mit steif gefrorenen Fingern drückte die Mutter auf die Klingel. Nichts passierte. Sollte der Weihnachtsmann Weihnachten wirklich vergessen haben? Sie klingelte noch einmal. Es dauerte sehr lange und die Mutter wollte schon wieder gehen, da öffnete sich die Tür.“

„Der Weihnachtsmann!“

„Genau! Er stand in der Tür und die Mutter konnte die rote Nase genau erkennen. Der Weihnachtsmann nieste, er hatte sich wohl eine Grippe eingefangen! Er lud sie ins Haus ein und bot ihr heißen Tee an. Da sah die Mutter, dass es ihm wirklich schlecht ging, seine Hände zitterten, als er ihr die Tasse reichte. Sie erzählte dem Weihnachtsmann von ihrer kleinen Tochter. Sie erzählte, wie traurig Kati darüber war, dass er sie nicht besucht hatte. Da wurde der Weihnachtsmann nachdenklich. Gemeinsam überlegten sie, was zu tun sei.

Schließlich kam dem Weihnachtsmann die Idee! Er rief seinen Bruder an.“

„Das war doch bestimmt der Nikolaus.“ Sylvies Stimme klang schon sehr schläfrig.

„Bestimmt. Obwohl es mitten in der Nacht war und der Bruder am anderen Stadtende wohnte, kam er sofort. Sie öffneten den großen Kleiderschrank des Weihnachtsmannes und holten den roten Mantel mit weißem Pelzbesatz hervor. Dann folgte er der Mutter.

Du kannst dir vorstellen, wie sehr Kati sich freute, als sie von ihrer Mutter geweckt wurde. Der Weihnachtsmann war da, hier, mitten in ihrem Zimmer!“

In diesem Moment sagte eine sanfte Stimme: „Das Ende der Geschichte hört sie wohl nicht mehr.“

Der Vater sah, dass die kleine Sylvie tatsächlich eingeschlafen war. Er spürte den weichen Arm seiner Frau, Sylvies Mutter. „Vielleicht ist das auch besser so“, sagte er.

„Es ist schön, dass morgen wieder die ganze Familie zusammen ist“, flüsterte sie an seinem Ohr. „Manchmal vermisse ich mein großes Mädchen sehr.“

„Ich freu mich auch, daß Katerina nach Hause kommt, und ich freu mich, meinen Bruder wiederzusehen. Heiligabend wird immer etwas ganz besonderes bleiben, vor allem für einen Weihnachtsmann wie mich.“ Er zwinkerte ihr mit beiden Augen zu und nahm sie fest in die Arme. Sie betrachteten noch einmal Sylvies Gesicht, dann löschten sie das Licht.

Draußen taumelten wieder weiße Flocken durch die Nacht. Sie legten sich auf die Zweige der drei Fichten im schmalen Vorgarten des kleinen Hauses am Rande der Stadt.

Frohe Weihnachten!

Damit wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern ruhige, friedliche Weihnachten. Genießen Sie die Zeit mit Ihren Lieben und wer weiß, vielleicht liegt sogar ein Buch für Sie unterm Weihnachtsbaum.


Ihre Heike Wolff

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